
Es ist Dienstag Nachmittag in der Markthalle. Wir haben uns an einer Bierbankgarnitur hinter MultiKulti verabredet. Während Philipp an seinem frisch gebrühten Mokka von Hakan schlürft, beginnt er unser Gespräch mit einem historischen Rückblick: "Gin & Tonic ist eigentlich Medizin." Dabei schmunzelt er, während er in mein zögernd nickendes Gesicht schaut. "Er hatte seine Geburtsstunde während der Kolonialzeit. Gin war günstig und ein gängiger Begleiter der Brit*innen, auch in den besetzten Kolonialgebieten. Der überlebenswichtige Teil war Tonic, das eigentliche Medikament. Die Chinarinde prägt den unverwechselbaren Geschmack des Tonics und trägt den damals einzig bekannten Wirkstoff gegen das unerträgliche Fieber, das Malaria auslöst. Geschmacklich ungenießbar, wurde er in Kombination mit Gin zum geringeren Übel: Gin & Tonic." *
Als Philipp sein Fine-Dining-Restaurant in Nürnberg Anfang der 10er Jahre betrieb, freute er sich über die aufkommende Popularität von Gin. “Das Angebot wurde viel spannender. Ich hatte tolle Gins auf der Karte. Aber was man an Tonic bekommen hat, war im Prinzip Zitronensäure, Aromen, Zucker und ein anderes Etikett. Das fand ich blöd. Ich habe hochqualitative Gins und soll dann quasi “Chemie” dazu schütten? Also fragte ich mich: Warum mache ich nicht meinen eigenen Tonic?”
Diese Frage ebnete seinen Weg in die Tonic- und Gin-Welt. Regelmäßige Besuchsreisen zu Philipps Gin-Produzent*innen haben neben geschäftlichen auch freundschaftliche Beziehung wachsen lassen, in der die gemeinsame Leidenschaft für Gin zunehmend florierte. So zog es ihn 2015 nach Italien, wo er über zwei Jahre in die Gin-Produktion eintauchte.
Aus der Not entsteht: Gin & Tonic
Philipp entschied sich 2018 dazu, Berlin zu seiner Wahlheimat zu machen. Zeitgleich suchte SoulSpice, eine Bio-Gewürz-Manufaktur, nach einer*m neuen Standbetreiber*in in der Markthalle. Diese Lücke füllte Philipp - sein Einstand in der Markthalle Neun. “Ich habe neben dem Stand auch die Produktentwicklung übernommen. Eine Berliner Destillerie war damals in unserem Angebot mit vertreten, ist aber spontan abgesprungen. Innerhalb einer Woche musste eine Alternative her.” Philipps Lösung: Sechs Liter Gin und zehn Liter Tonic; eigens im Markthallenkeller zusammen gerührt. “Die Leute waren begeistert und wollten mehr. Also fingen wir an, es in Flaschen abzufüllen." Was daraus wurde? Seit zwei Jahren gibt es SoulSpice und Mondhügel unter einem Dach.
Neben Gin kreiert Mondhügel im Keller der Markthalle Neun auch seine eigenen Vodkas und Whiskys. Die Komponenten, die sich zu intensiven Aromen vereinen, kommen zumeist aus der Markthalle. Das Bukett des Jubiläumsgin wird dank Austernschalen vom Fish Klub, Estragon von Kräuter Werner und Buddhas Hand Zitrone von Von Beet und Baum ausgebaut. "Wir wollen bei all unseren Produkten, dass es zu 100 Prozent natürlich ist. Die Spirituose sowie der Filler. Im Tonic ist die rote Chinarinde, Zitronenschalen von nebenan (Beet und Baum) und ein bisschen Nelke, Kardamom, Zitronengras und Langpfeffer."
Seit kurzem tischt Philipp jeden Donnerstag ab 18 Uhr wie zu guten alten Restaurant-Zeiten ein 4-Gänge-Menü auf. Tipsy Fish – eine Idee, die mit seinen Büronachbar*innen von Fish Klub entstanden ist. "An unserem Stand haben wir zwar wenig Platz, aber wir geben ihn gerne für Menschen her, die uns kennenlernen wollen. Mit dem Tipsy Fisch war die Überlegung eine Produktreise mit Häppchen zu kreieren. Ich habe richtig Spaß daran."
Ihr könnt Euch hier Euren Platz für den nächsten Tipsy Fish sichern.
*Die Folgen der Kolonialzeit sind für die betroffenen Länder des globalen Südens bis heute schwerwiegend. Im folgenden Artikel könnt Ihr mehr darüber erfahren: https://fm4.orf.at/stories/3007405/