Neues aus der Halle

Kreuzberg, Köfte, Kartoffelsalat

Image placeholder Leila steht vor ihrem Stand, im Hintergrund sind die Meze Salate zu sehen.

Carina Reckers / Markthalle Neun

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Manchmal meldet sich mehr als nur ein Hüngerchen. Manchmal braucht die Seele eine Mahlzeit, die wärmt und stärkt. Für die einen muss es dann Omas Hühnersuppe sein, für andere Mamas Congee oder Papas Phở. Am Stand von Leila macht sich zur Mittagszeit der Duft von Mercimek Çorbası breit – türkische Linsensuppe, die Geborgenheit und ein wohlig gefülltes Bäuchlein verspricht. 

Haçer Aldemir, besser bekannt als „Leila“, ist eine feste Größe dieser Halle. Seit 2012 betreibt sie eine kleine, aber feine Feinkosttheke.. Die Gerichte, die sie hier anbietet, sind nicht bloß Rezepte – sie sind ein Teil ihrer Geschichte. Kısır (Bulgursalat) nach dem Rezept ihrer Mutter, Zeytin salatası (Olivensalat) wie ihn Papa immer gemacht hat oder türkischer Kartoffelsalat, wie er damals von den Tanten für den Hamambesuch vorbereitet wurde. In Leilas Küche geht es nicht nur um Rezepte, sondern um Geschichten – über Familie, über Heimat und darüber, wie Traditionen lebendig bleiben.

Leila kam 1972 als kleines Mädchen aus Ost-Anatolien nach Kreuzberg. Ihre Eltern brachten ihre Traditionen und die Liebe zur Küche ihrer Heimat mit – eine rustikale, herzhafte Küche, geprägt von Linsen, Bulgur, Joghurt und gegrilltem Fleisch. “Damals gab es noch keine Supermärkte oder Restaurants in Berlin, die türkische Lebensmittel anboten. Meine Eltern haben immer einmal im Jahr aus dem Urlaub alles mitgebracht – Essen spielte eine große Rolle bei uns.” Dennoch führte Leilas Weg sie nicht direkt in die Gastronomie. „Büroarbeit war nicht so mein Ding, wie sich herausstellte", erzählt sie mit einem verschmitzten Lächeln. Nach einer kaufmännischen Ausbildung zog es sie in die Berliner Küchen, wo sie in verschiedenen Restaurants arbeitete. Doch ihre wahre Leidenschaft galt immer der türkischen Küche. „Ich wollte die Gerichte meiner Familie mit Berlin teilen“, erklärt sie. Und das hat sie geschafft. Seit 2012 ist ihre Theke in der Markthalle Neun nicht nur ein Treffpunkt für Liebhaber*innen der türkischen Küche, sondern auch ein Ort, der diese Traditionen lebendig hält und weiterentwickelt.

Image placeholder Im Vordergrund ein bunter Mezeteller, verschwommen im Hintergrund steht Leila in ihrem Stand und hält den Teller Richtung Kamera.r

Carina Reckers / Markthalle Neun

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Leilas Rezepte sind keine geheimen Erfindungen, sondern Erbstücke. „Die Linsensuppe und der Bulgur-Salat sind von meiner Mama“, sagt sie und lächelt. Es sind vor allem ihre Eltern und Großeltern, die sie in die Geheimnisse der türkischen Küche einführten. Ihr Vater war ein Meister der Gewürze. „Er hat seine eigenen Mischungen gemacht“, erzählt Leila. Sumach, Thymian, Granatapfelsirup und Minze – Zutaten, die in Leilas Küche nie fehlen. Der Petersilien- und Olivensalat, eines der beliebten Gerichte an ihrer Theke, stammt direkt aus dem Repertoire ihres Vaters. „Er wusste, wie man mit wenigen Zutaten eine Welt erschafft“, sagt Leila. Ihre Oma, die sie regelmäßig in Anatolien besuchte, brachte ihr vor allem die Zubereitung von warmen Gerichten bei. Ein besonderes Erinnerungsstück sind die Içli Köfte – knusprig gebackene Bulgurbällchen –, die ihre Oma statt mit Fleisch und Walnüssen mit Spinat und Linsen füllte. „Das war eine Notlösung, weil Fleisch damals rar war. Aber es hat sich als Familienrezept etabliert und wird hier in Berlin gut angenommen“, sagt Leila und schmunzelt. Wenn es nach ihr geht, werden diese Bällchen auf dem Street Food Thursday wieder auf der Theke landen. „Die kommen immer gut an“, fügt sie hinzu.

In Leilas Küche geht es aber nicht nur um die Bewahrung der Tradition. „Ich kreiere auch viel selbst, probiere neue Sachen aus“, erklärt sie. Ihre Reisen in die Türkei und andere Regionen sind dabei immer eine wichtige Quellen der Inspiration. „Ich lasse mich von den Märkten und den Menschen vor Ort treiben. Ich komme mit Koffern voller Gewürze, Käse und anderen Leckereien wieder“, sagt sie. Doch trotz aller Neuerungen bleibt die Einfachheit der Gerichte ihr Markenzeichen. „Meistens ist das Einfachste das Beste“, sagt sie und zückt ein Rezept für Baba Ganoush, das bald wieder Saison hat. „Auberginen, Joghurt, Tahin, Kreuzkümmel, Knoblauch, ein bisschen Salz – das ist alles. Je besser die Auberginen, desto besser das Gericht.“

Aber Leila liebt nicht nur die Küche ihrer Heimat – auch die deutsche Küche hat es ihr angetan. „Im Winter gibt es bei mir oft Rosenkohleintopf oder Sauerkrautgerichte. Das ist für mich genauso Comfort Food wie Mercimek Çorbası“, erzählt sie. Und genau hier zeigt sich, dass kulinarisch oft mehr verbindet, als trennt. Zutaten, Zubereitungsarten, sogar die Idee, mit Essen Geborgenheit zu schaffen – all das überschneidet sich in vielen Küchen der Welt.

Ihre Theke in der Markthalle Neun ist für viele längst ein Stück Heimat oder eine kleine Reise in der Mittagspause geworden. “Manchmal laufen Leute vorbei und sagen: Guck mal, lecker griechisch! An meinem Cacık steht extra auch Tsatsiki, weil viele mit Cacık nichts anfangen können … die Traditionen sind ähnlich, das ist doch eine schöne Sache, das Rezepte von Gemeinsamkeiten erzählen können.” Für Leila ist ihre Theke eine Möglichkeit, die Traditionen einer Region, einer Familie und einer eigenen Biografie zu erzählen – und gleichzeitig etwas Neues zu schaffen. Ihre Küche ist eine Geschichte der Veränderung, des Wandels und der ständigen Anpassung. Und vielleicht ist es genau dieser Mix aus Tradition und Innovation, der ihre Gerichte so besonders macht. „Kochen ist eine Kunst, die nie stillsteht“, sagt Leila abschließend und widmet sich dem nächsten Mezeteller. „Es gibt immer etwas Neues zu lernen, auch wenn man sich auf die alten Rezepte stützt.“

Text: Carina Reckers

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