Deutschlands weiße Küchen

RassismusStreetFood

In den letzten Wochen ist eine notwendige und wichtige Diskussion rund um das Thema Rassismus entflammt. Ein Thema über das wir selten sprechen, gerade in Bezug auf Gastronomie und Landwirtschaft. Wir haben das Gespräch gesucht und die Wissenschaftlerin und Journalistin Aida Baghernejad und die Community Organiser und Mitbegründerin des Street Food Thursday, Kavita Goodstar, getroffen.

Wie steht es um den Rassismus in der Gastronomie?
Kavita: Für mich ist die Tatsache, dass in den meisten Spitzenrestaurant Deutschlands die einzige Schwarze Person im Restaurant den Geschirrspüler bedient, ein markantes Beispiel dafür, wie Schwarze Menschen in der deutschen Gesellschaft eingeordnet sind.

Aida: Manchmal frage ich mich, wie es sein kann, dass die meisten gehobenen Restaurants in Deutschland gleich aussehen: Weiße Männer in der Küche und Schwarze Menschen an der Spüle. Wie kann das angehen?

Kavita: Die Menschen in der Gastronomie, die eine Stimme haben sind Weiße. Sie haben das Mikro in der Hand und die Möglichkeit zur Presse zu sprechen. Und diese Stimme haben sie nicht unbedingt, weil sie es sich verdient haben, sondern weil unsere Strukturen so aufgebaut sind. Und mit dieser Stimme kommt eine Verantwortung.

Aida: Ja, eine Verantwortung der gesamten Gastronomie eine Stimme und Sichtbarkeit zu geben – und die besteht nun mal größtenteils aus Menschen, die keinen familiären akademischen Hintergrund haben oder aus marginalisierten Gesellschaftsgruppen stammen.

Als erster Street Food Markt Deutschlands wurde der Street Food Thursday 2013 von Kavita Goodstar und Anna Lai und Tobias Bürger von Big Stuff Smoked BBQ gemeinsam mit der Markthalle Neun initiiert.

Was hat der Street Food Thursday mit Diversität zu tun? Was war die Idee hinter dem Street Food Thursday?
Kavita: Im Grunde genommen war die Idee hinter dem Street Food Thursday für mich, Essen als ein Instrument zu verstehen, um Kultur zu teilen. Und Menschen eine Plattform zu geben, die mit ihrem Essen eine Geschichte erzählen wollen – auch ohne eigenes Restaurant und großem Startkapital.
Bereits vor zehn Jahren hatte ich diese Idee im Kopf, einen Raum und eine Möglichkeit zu schaffen, um Lebensmittel zu nutzen, um sich zu engagieren und sie zugänglich zu machen, damit sie nicht hinter einem schicken Restaurant versteckt sind. Ich traf viele Menschen, die sich mit dieser Idee beschäftigten, die eine Geschichte hatten, aber keinen Platz in der Stadt, um ihre Identität in Sachen Essen zu finden oder zu teilen.

Aida, was hat dich an Street Food interessiert?
Aida: Ich begann über Street Food zu schreiben, weil mich alles daran faszinierte. Es war bunt und roch gut, ich sah und schmeckte Gerichte und Zutaten, von denen ich nicht wusste, dass es sie in Berlin gibt. Und es gab viele Quereinsteiger, es war irgendwie losgelöst von der traditionellen Gastronomie.

Inwiefern ist der Street Food Thursday ein Gegensatz zur traditionellen Gastronomie?
Kavita: 2013, als wir den Street Food Thursday gegründet haben, war die Gastronomie noch sehr altmodisch. Gerichte, die nicht westlich waren, wurden schlicht als nicht wertvoll angesehen. Sie wurde nur als etwas angesehen, das in einem Imbiss hergestellt wird. Und genau diese Vorstellungen, diese Institution der Gastronomie wurde von weißen Männern geleitet und geprägt. Diese Struktur wurde von denen geschaffen, die von der "white supremacy" (weißen Vorherrschaft) profitierten. Daher war es für die Menschen, die mit ihren nicht-westlichen Küchen und Gerichten in Berlin Fuß fassen wollten natürlich schwer, in diesem System, diesem Kodex ihren Platz zu finden.

Welche Möglichkeiten, diese Strukturen zu durchbrechen hast du gesehen?
Kavita: Ich habe Street Food als Weg gesehen, diese Strukturen zu überdenken. Auf eine Art und Weise dieses System zu demokratisieren, zu öffnen. Als Gegensatz zum bisherigen System und als Möglichkeit, mehr Kulturen eine Plattform zu bieten.

Wie siehst du den Street Food Thursday zehn Jahre später?
Kavita: Damals habe ich sehr viel über die Menschen nachgedacht, die das Essen zubereiten, aber nicht über die Konsument*innen. Ich habe nicht verstanden, was für Barrieren Menschen verspüren und inwiefern Essen heutzutage auch als Label dient. Das hat auch mit der sogenannten "Exotisierung" von Essen zu tun – Menschen konsumieren ein Gericht aus einer Kultur und das wird dann dann zum Symbol ihres kultivierten Selbst, was ihnen den Zugang zur Mittelschicht ermöglicht. Essen wird also genutzt, um in der sozialen Hierarchie aufzusteigen. Das habe ich vor zehn Jahren so noch nicht verstanden. Insofern ist der Street Food Thursday nie zu genau dem geworden, was wir uns damals erträumt hatten. Vielleicht ist das auch nicht möglich. Solange man diese Strukturen nicht abbaut, findet immer ein Konsum statt, der nicht für alle gleich ist. Wenn wir den Street Food Thursday jetzt konzipieren würden, würde es sicherlich anders aussehen – das heißt aber nicht, dass wir nicht einiges erreicht haben und vielen eine Plattform bieten konnten.

Viele ehemalige Street Food Händler*innen haben inzwischen Marktbude gegen Ladenlokal eingetauscht und eigene Restaurants eröffnet und es gibt eine Vielzahl an großartigen Unternehmen, die von BPOC (Black and People of Colour) geführt werden, hier eine Liste von Stil in Berlin und Black Brown Berlin. Insofern esst, unterstützt und hört zu. Das ist das, was auch wir als Team der Markthalle Neun tun, denn wir haben noch Einiges zu lernen zum Thema struktureller Rassismus. Und wann kann man besser zuhören als mit vollem Mund?

Dieses Interview wurde auf Englisch geführt und übersetzt.