Erntefrisch zu Tisch: Solawi bei der Wilden Gärtnerei

Wochenmarkt-0922

Es ist kurz nach drei an einem Samstag. Auf dem Wochenmarkt weitherhin reges Leben. Zwischen Kuchen von Gaia und Endorphina fällt die Sonne auf die sich bunt erstreckende Auslage von der Wilden Gärtnerei. Michelle rupft gerade ein paar gelbe Blüten von einer Blume und wirft das duftende Konfetti über den Salatkorb: "Viel schöner!"  Wir wollen auch etwas von der Sonne abhaben und gehen raus auf die Eisenbahnstraße zum Kaffee9.

"Ich verbringe gerade viel Zeit mit unseren Tomaten." Auf dem Weg nach draußen nascht Michelle ihre letzte zwischen Daumen und Zeigefinger weg. "Die Tomate begleitet uns das ganze Jahr. Beim Anbau entscheiden wir uns nicht nach Ertrag sondern nach Sortenvielfalt. Teilweise gewinnen wir das Saatgut aus unseren eigenen Pflanzen. Mein Favorit ist die Yellow Submarine. Sie ist birnenförmig, sehr fleischig, knackig, fruchtig und hält sich lange."
Wenn Michelle nicht auf dem Acker steht, konserviert sie gerade einen Teil der Tomatenernte in Töpfen, dessen Umfang einer großzügigen Umarmung gleicht. Tomatensauce, Dörrtomaten, Ketchup und Tomaten-Chili-Paste finden sich das ganze Jahr über am Wochenmarktstand. Michelle löst ihre Arme, mit denen sie mir eben noch die Größe der Töpfe demonstrierte und fährt fort:
"Die Tomaten kriegen viel Aufmerksamkeit von uns. Wir wollen Lebensmittel mit Lebenskraft wertschöpfen. Auf unserem Hof arbeiten wir nach dem regenerativen Ansatz. Bedeutet, dass wenn wir der Natur etwas nehmen, ihr wiederum etwas zurückgeben. Zum Beispiel durch Aufbau des Bodenlebens. Treibende Kraft für unsere stetige Weiterentwicklung ist Roberto, ein Mitbegründer des Hofes. Er ist sehr wissenshungrig und bildet sich laufend fort. Unsere Vision ist es, ein Agroforstsystem auszubauen. Agro steht für Landwirtschaft. Es gibt viele Mischformen. Beispielhaft könnte eine Baumreihe neben einem Kohlfeld gepflanzt werden, dann Büsche, gefolgt von Salaten – resiliente Biotope mit Platz für Insekten, Regenwürmer und Vögel."
Die Realität: Der Klimawandel macht es schwieriger und fordert einen langen Atem. Viele gepflanzte Bäume sind dieses Jahr aufgrund der starken Hitze gestorben. Kleine Erfolge sind dennoch zu verzeichnen: Der Waldacker, wo bereits viel kompostiert und Zeit reinvestiert wurde, kann das Regenwasser bedeutend besser speichern im Gegensatz zu anderen Böden.

Aktuell leben fünf Erwachsene und drei Kinder fest auf dem zehn Hektar großen Hof, wovon vier wechselnd bewirtschaftet werden. Freiwillige Helfer*innen unterstützen die Arbeit der Wilden Gärtnerei. Für kurz- oder längerfristig werden sie Teil der Hof-Gemeinschaft.
Mit einem Solawi-Anteil kann man sich auch an der Wilden Gärtnerei beteiligen. Seit kurzem gibt es wieder freie Plätze.
"Solawi bedeutet solidarische Landwirtschaft. Jede Solawi funktioniert anders. Es geht nicht nur um Preis-Leistung, sondern auch um Verantwortung in Beziehung. Direkte Transparenz für Konsument*innen sowie finanzielle Sicherheit für uns. Das schafft auf allen Seiten sehr viel Wertschätzung."
Wer dabei ist, kriegt jede Woche einen Ernteanteil. Eine zwei monatige Probezeit, soll bei der Entscheidung helfen. Der Austausch am Marktstand ist erst der Anfang: "Man ist auf unserem Hof herzlich eingeladen, mitzuhelfen und uns kennenzulernen."
Der Mindestbeitrag liegt bei 65 Euro im Monat.
"Wer mehr zahlen kann und mag, der ist willkommen, das zu tun. Auch an unserem Stand gilt die solidarische Preisgestaltung. Wir wollen unsere Lebensmittel somit für möglichst viele Menschen zugänglich machen."
Abgeholt wird der Ernteanteil am Wochenmarktstand in der Markthalle Neun oder auf ihrem Hof in Rüdnitz. Diese Woche gab es Tomaten, Gürkchen, Mangold, pinken Stangensellerie, Kapuzinerkressesalat, Porree, eine Flasche Saft und Honigmelone.
Zurück am Marktstand verabschieden wir uns. Michelle winkt. In ihrer Hand wieder eine gelbe, angebissene Tomate. Neugierige Marktbesucher*innen sprechen sie an; wollen in dem bunten Angebot die richtige Tomate finden. Wir lächeln uns an und Michelle beginnt zu erzählen.

Die Wilde Gärtnerei ist jeden Samstag von 10 bis 18 Uhr auf unserem Wochenmarkt in der Markthalle Neun. Meldet Euch hier für einen Solawi-Anteil bei der Wilden Gärtnerei an.