Ein Plausch auf dem Markt

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Ich wate mich durchs nachmittägliche Einkaufstreiben an Metzgerei und Obststand vorbei und erblicke, hell erleuchtet, einen wuseligen, aber hochkonzentrierten Haufen Schulkinder. Auf einem Podest mitten in der Markthalle Neun wird an einem großen Tisch emsig geschnibbelt und geschält. Die Klasse 4d der Hunsrück Grundschule aus der Manteuffelstraße ist für zwei Wochen bei uns in der Markthalle Neun.

Heute ist der vorletzte Tag des zweiwöchigen Ernährungsbildungsprogramm. Alles Gelernte wird heute nochmal gekocht, eine große Tafel wird vor Inge’s Kaffeebude bis zum Eingang Eisenbahnstraße aufgebaut, dann kommen die Eltern und Geschwister zum Abendessen. Ich treffe Schülerin Rita zusammen mit ihrer Klassenlehrerin Heike Swiderski auf einen kleinen Plausch.

“Wir haben sehr viel gelernt, auch über so Kohlenhydrate… und wir haben Butter gemacht und Omelette!” sprudelt es nur so aus Rita heraus, die vor dem Stehtisch, an dem wir uns treffen, putzmunter auf und ab hüpft. Alle Kinder der 4d kommen aus der Kreuzberger Nachbarschaft, manche kennen die Markthalle schon seit den ersten Gehversuchen, andere sind zum ersten Mal hier. “Wir haben sogar unsere eigenen Gewürzmischungen gemacht, Erdnusskekse und Brot gebacken.”

Das Spektakel geht auch an Besucher*innen der Markthalle nicht vorbei. Viele bleiben stehen und bewundern die Kochkünste der Kinder. “Es ist schön zu sehen, wie stolz die Kinder sind, wenn sie die Aufmerksamkeit nicht durch’s Lautsein oder Herumalbern erhaschen, sondern durch ihre Tätigkeiten beim Kochen und Backen.” sagt Rita’s Klassenlehrerin.

Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Rita mit den Händen in der Luft buddelt und imaginäre Pflanzen in ein Luftloch setzt. Als ich mich ihr wieder zuwende, erzählt sie mir vom Ausflug zur Gartenarbeitsschule Friedrichshain-Kreuzberg: “Wir haben Erdbeeren gepflanzt, Kräuter geerntet und Laub geharkt.” Lehrerin Heike fügt hinzu: “Ich finde es sehr wichtig, dass die Kinder erleben, welche Arbeit hinter unseren Lebensmitteln steckt. Vom Acker bis hin zur Verarbeitung. Bei den Kindern ist großes Interesse vorhanden, oder es wird spätestens bei den ersten praktischen Aufgaben geweckt. Ich denke, das Praktische ist ganz besonders wertvoll für die Kinder. Sie lernen an Arbeitsblättern die Theorie und können sie im direkten Agieren verstehen. Motorische Fähigkeiten und Selbstvertrauen, das Verständnis von Umwelt und Natur werden gefördert.”

In zwei Wochen Kochschule Neun wird gebacken, fermentiert und gekocht, die Kinder lernen bewusstes Einkaufen und gehen mit der Landwirtschaft in zwei Hofbesuchen auf Tuchfühlung. Gebuddelt, umgegraben und geerntet, gemolken und Mist gekarrt wurde in den letzten Jahren auf dem Hof Marienhöhe, Kuhhorst, dem Karolinenhof, der Gartenarbeitsschule Friedrichshain und bei Britzer Kräuter. Acht Tage bestehen aus fünf thematischen Kocheinheiten - die Zusammenhänge unseres Lebensmittelsystems werden mit viel Freude an der eigenen Ernährung und Esskultur begreiflich gemacht - und das so praxisnah wie möglich. Das Konzept “Kochschule Neun” wird seit 2021 von Frederic Erdl und Team umgesetzt: Bbisher haben 17 Schulklassen aus fünf verschiedenen Grundschulen der Nachbarschaft teilgenommen. Ein Ziel ist schon erreicht: Es bestehen langfristige Kooperationen mit drei Schulen - die Hunsrück, die Fichtelgebirge und die Rosa Parks-Grundschule, die jedes Jahr mit allen Klassen der vierten Jahrgangsstufe am Ernährungsbildungsprogramm teilnehmen.

Lehrerin Heike war zwar gar nicht an allen Tagen dabei, hat aber sogar selber so einiges dazu gelernt. “Auf jeden Fall weiterzuempfehlen!” sagt Heike. “Ich war vorher etwas skeptisch, aber es ist wirklich spürbar, wie durchdacht das zweiwöchige Programm ist. Den Kindern werden Theorie und Praxis mit sehr viel Leichtigkeit nahegebracht!”

Rita zieht eine Schnute: “Ich bin sogar schon ein bisschen traurig, dass die Kochschule heute zu Ende ist.”

Morgen gibt es noch einen Ausflug, dann geht’s wieder zurück in die Schule. “Hier sind alle so nett, Frederic ist auch nicht zu streng! Und wir haben uns mit den Bäckern von Domberger angefreundet!” Wenn’s mit ihrer geplanten Tanzkarriere nicht klappt, sagt Rita, dann kann sie sich gut vorstellen, Gärtnerin oder Köchin zu werden - und beendet unser Interview mit einer kleinen Tanzeinlage!


Die Kinder-Kochschul-Akademie wird im Projektzeitraum 2022 ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von der deutschen Postcode Lotterie, HELLO – Die Stiftung, der Heidehof Stiftung und dem deutschen Kinderhilfswerk.

Der gemeinnützige Kulturverein Markthalle Neun e.V. möchte sich recht herzlich bei all seinen Unterstützer*innen bedanken. Nur durch Eure Beiträge können wir unser Bildungsangebot für Schulklassen, Jugend und Senior*innengruppen anbieten. Um dies auch in Zukunft tun zu können sind wir auch weiterhin auf Förderung und Spenden angewiesen. Kommt bei Interesse bitte sehr gerne auf uns zu bildung@markthalleneun.de oder spendet direkt auf unser Konto. Eine Spendenbescheinigung kann selbstverständlich ausgestellt werden. Vielen Dank!

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