Ehrenrettung eines Erfrischungsgetränks

Berliner Weisse

Wir haben Euch das perfekte Sommergetränk mitgebracht. Weißbier? Nee, Berliner Weiße. Und die ist weder rot noch grün noch jenes charakterlose Industriebier, als dass die Berliner Weiße das letzte Drittel des vergangenen Jahrhunderts überdauert hatte. Obwohl, selbst das stimmt ja nicht. Berliner Weiße nämlich darf etwa die Berliner Kindl Weisse nicht einmal mehr heißen, weil sich die Großbrauerei eben nicht mehr die Mühe macht, mit den charakteristischen Brettanomyces -Hefen zu arbeiten, wie sie etwa auch für viele belgische Sauerbiere stilprägend sind. Wer mag, kann die Berliner Weiße so auch als einen wilderen, weniger domestizierten Braustil bezeichnen. Anlässlich des langen Wochenendes haben wir Lust bekommen auf ein Glas Sauer-Sommerliches und Euch alles, was es darüber zu wissen gibt, zusammengestellt:

Wo kommt die Weiße eigentlich her?
Aus Berlin, tatsächlich. Und sie war bis zur großen Konsolidierung der zwischenzeitlich bis zu 700 Berliner Brauereien auch das typische Berliner Bier. „Champagner des Nordens“ soll man das säuerliche, obergärige und beschwingt perlende Weizenbier damals sogar genannt haben. Es ist und war ein Schankbier, was für einen moderaten Alkoholgehalt von zwei bis vier Prozent steht, so viel zum Thema Sommerbier. Es war das Bier der Berliner Biergärten und wurde, wie hier vom Berliner Dichter Richard Zoozmann (1863 bis 1934) sogar in Reimen bedacht:
„Gleich, Herr“, ruft der Kellner, „Wollen Sie sie ohne oder mit?“
„Bringen Sie sie ohne“, sprach ich, „aber bringen Sie sie mit!“

Ist das nicht das Bier mit dem Fruchtsirup?
Nein. Und tatsächlich kam es es erst im Zwanzigsten Jahrhundert in Mode, die Weiße mit Himbeer- oder Waldmeistersirup zu panschen. Das süffige, untergärige Pils war zum dominanten Braustil geworden. Der süße Sirup sollte die zunehmend unpopuläre Säure der Weiße übertünchen. Die Weiße-Tradition in Berlin ist aber viel älter. Die Hugenotten könnten das Sauerbier mit nach Berlin gebracht haben. Eine Weißbiersuppe aus der Bärme , dem nach dem Brauen übrigen Hefesediment, war ein ein typisches Arme-Leute-Essen im vorindustriellen Berlin. Während in den bessern Gasthäusern, hier stimmt der Vergleich mit dem Champagner, die Berliner Weiße in der Flasche gelagert und nachgereift wurde. Landré oder Willner waren die bekanntesten Marken.

Und heute? Der Berliner Weiße Gipfel
Die Berliner Weiße wurde 2014 als schützenswerte Regionalbezeichnung in die Arche des Geschmacks von Slow Food aufgenommen. Zudem hat sich der Verein Berliner Weisse Kultur e.V. diesem wild gärenden Braustil angenommen. Mit Brewbaker , BRLO , Berliner Berg oder der Brauerei Schneeeule der Weiße-Archäologin Ulrike Genz (Foto) brauen und reifen wieder Berliner Brauereien traditionell obergärige Weiße mit Brettanomyces-Hefen. Ob nun verschlossen mit einem Kron- oder sogar einem Champagnerkorken. Sogar Jahrgangs-Weiße gibt es es wieder. Und den Berliner Weiße Gipfel am Samstag, dem 1. Juni im Silent Green Kulturquartier in der Gerichtsstraße 35 im Wedding.