Der Feminist Food Club

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Der Berliner Feminist Food Club unterstützt trans- und cis-Frauen sowie nicht-binäre Menschen in der Lebensmittelindustrie und deckt sexistische, klassistische und rassistische Themen in der Gastronomie auf. Die Facebook Gruppe des FFC hat knapp 1400 Mitglieder. Hier werden Pop Ups beworben, Kontakte ausgetauscht, Produktionsküchen gesucht, um Rat gefragt, sexistische Vorfälle und kulturelle Aneignung diskutiert und Jobs vermittelt. Das Ziel des Clubs: Eine integrativere, vielfältigere, solidarischere und nachhaltigere Gastronomie schaffen. Ein Gespräch mit der Leiterin des Feminist Food Clubs, Mary Scherpe.


Wer kommt im Feminist Food Club zusammen?
Mary: Alle mit einer Verbindung mit Lebensmitteln – nicht nur Gastronom*innen, sondern auch Journalist*innen, PR Manager*innen, Menschen aus dem Event- oder auch Lebensmittelproduktionsbereich.

Warum habt ihr 2017 den Feminist Food Club in Berlin gegründet?
Mary: Das war eigentlich eine sehr spontane Idee ohne große Vision oder Planung. Damals haben Ruth Bartlett und ich überlegt: Die Gastrowelt braucht mehr Feminismus! Wäre es nicht eine gute Sache, wenn es einen Club gäbe, in dem man sich trifft, feministische Themen bespricht und Erfahrungen austauschen kann? Und so kam es zu unserem ersten Treffen im Januar 2017 im Halleschen Haus – und es fühlte sich an, als wäre genau so etwas schon sehr lange ersehnt worden. Das war wunderbar. Ich glaube vielen tat es gut zu merken: viele unserer Erlebnisse der Diskriminierung im Alltag sind keine individuellen, sondern beruhen auf strukturellen Problemen.

Was habt ihr statt dieser persönlichen Treffen im letzten Jahr veranstaltet?
Mary: Mitte März letzten Jahres habe ich auf Instagram Live mit den "Corona Crisis Talks" angefangen, um ein paar ganz praktische Fragen zu diskutieren, die viele unserer Mitglieder*innen beschäftigt haben: Lohnt sich Take-out? Für welche finanziellen Unterstützungen kann ich mich bewerben und wenn ja wie? Später kamen dann internationale Gäste und Themen wie "anti-asiatischer Rassismus", "die Zukunft der Gastronomie" oder auch "dezentrale Lieferkonzepte" dazu. Außerdem haben wir regelmäßig Workshops

Wo liegen zur Zeit die größten Herausforderungen für Frauen in der Food Szene?
Mary: Gerade in Krisen kommen Diskriminierungen als erste hoch. Viele Nachteile der Krisenbewältigung tragen Frauen, aber auch andere Menschen, denen gewisse Privilegien fehlen. Seit ein paar Tagen wird in Deutschland versucht eine Diskussion darüber zu führen, ob Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund häufiger an Covid erkranken und inwiefern sie daran schuld sind. Außer Acht wird dabei oft gelassen, dass viele dieser Menschen in Umständen leben, die sie häufiger und schwerer erkranken lassen. Oft arbeiten sie in prekären Jobs, leben beengter und häufiger in Armut, also können sie sich weniger schützen. Sie tragen die Last der Krise – indem sie weiter in den Schlachthöfen und Fabriken schuften, und kaum einer fragt, wie wir sie unterstützen können. Das reicht auch in die Gastro rein. Wie schlecht werden oft Kellner und Küchenhelfer bezahlt? Viele von denen haben ihre Jobs verloren, und brauchen jetzt dringend Geld. Wenn sie jetzt wieder eingestellt werden, wenn die Gastro wieder aufmacht, trauen sie sich dann, für ihre Sicherheit zu argumentieren? Zu oft besprechen wir die Probleme aus der Perspektive der Besitzer, und vergessen die Personen, die dahinter stehen und deren Erfolg erst möglich machen. Die trotzdem zur Arbeit gehen, weil sonst das Geld oder der ganze Job weg sind. Ein aktuelles Beispiel sind die Fahrradlieferanten, von denen viele in den letzten Wochen, als es so wahnsinnig kalt war, unbezahlt zu Hause bleiben mussten. Das sind Aspekte, die in unsere Diskussionen darüber, wie wir
solidarisch, vielfältig und nachhaltig essen, einbezogen werden müssen.

Hat sich seit der Gründung des FFC vor vier Jahren in der Szene etwas verändert? Siehst du Veränderungen oder mehr Bewusstsein für feministische Themen?
Mary: In den letzten Jahren hat es mehr Gründungen von Frauen gegeben hat, die da auch mit einem neuen Selbstbewusstsein rangehen. Und ich finde auch, dass die spannendsten Gründungen im Moment von Women of Colour kommen. Meinetwegen sollte es noch drei, vier oder mehr Clubs oder Vereinigungen mehr geben, die eine progressive diskussionsgeleitete Sicht auf die Dinge haben. Wie zum Beispiel das großartige Smells Like Collective.
Es ist so schwierig, für Themen wie Rassismus, Sexismus und Diskriminierung Räume zu schaffen. Die privilegiert Oberschicht oder der Mainstream sieht Gespräche darüber als überflüssig an. Als nicht so relevant. Ich habe den Vorteil, dass ich nicht direkt in der Gastronomie arbeite, erst das erlaubt es mir, den Feminist Food Club zu leiten. Ich habe eine Position inne, bei der ich mich nicht fürchten muss, ob meine Rolle im FFC meine nächste Bewerbung behindert.
Unangenehme Themen anzusprechen, Kritik zu äußern, das muss man sich leisten können. Im FFC haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele aus Angst vor den Konsequenzen, Dinge nicht ansprechen. Es ist nicht so, dass es keine sexualisierte Gewalt in der Gastro ist, aber es ist sehr schwer, Menschen zu finden, die darüber öffentlich sprechen, weil das Risiko zu groß ist.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Mary: Mein Ziel für 2021 ist, dass es den Feminist Food Club noch gibt! Es ist gerade so schwer zu planen und wir arbeiten ja alle nur ehrenamtlich. Aber ganz grundsätzlich gibt es ganz viele Themen und Konversationen, die wir hier in Deutschland einfach nicht führen, die nicht Teil der Debatte sind. Dazu gehören zum Beispiel Sexismus, Rassismus und Arbeiterrechte in der Gastronomie. Es ist unser Anliegen des FFC diese Gespräche auch in Zukunft zu führen. Wir wollen zeigen, dass dies keine Nischenthemen sind. Dass es keine Themen sind, die nur 0,2% der Bevölkerung betreffen. Im Gegenteil: Sie sind Alltag für ganz viele Menschen.

Die Arbeit des Feminist Food Club kann man hier unterstützen!