Der Boden der Tatsachen

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2000 verschiedene Lebewesen findet man nicht in einem Buchenwald, an einem Brandenburger See oder in der Berliner Stadtnatur...sondern bereits in einem einzigen Quadratmeter Boden. Mit dieser Fülle führt der Wissenschaftsjournalist Florian Schwinn in sein, nein, unser aller Thema ein: „ Der Quadratmeter Boden beheimatet mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt.“ Es scheint also buchstäblich gut bestellt zu sein, um unsere Lebensgrundlage. Nein, umgekehrt wird ein Schuh draus: Sobald es dem Boden schlechter geht, und vielerorts geht es dem Boden schon sehr, sehr schlecht, wird auch überirdisch alles mühsam. Die Sache mit den Ernteerträgen, der Erosion, der Artenvielfalt und der Ernährungswende. „Der lebendige Boden ist von sich aus fruchtbar, man muss ihm nur zurückgeben, was man ihm weggenommen hat, dann ist der Boden ein System, dass sich selbst ernährt und dafür sorgt, dass alles Leben oberhalb dieses Bodens überhaupt möglich ist.“
Nur wimmelt es eben gerade von tatsächlich bodenlosen Tatsachen: Monokulturen, die den Boden auszehren. Oder eine industrialisierte Landwirtschaft, deren immer größerer, schwererer Maschinenpark Ackerflächen verdichtet. „Humus aufzubauen bedeutet ein ganz anderes Wirtschaften. Die Landwirtschaft, die wir zur Zeit fahren, ist eine Humuszerstörung, wir zerstören die Böden durch Erosion.“
Das nämlich ist der Kniff, die aus Florian Schwinns so grundsätzlicher wie großartiger Analyse, eine tatsächlich revolutionäre Handreichung macht: In der Bildung von Humus, der bekanntermaßen ein veritabler CO2-Speicher ist, sieht er eine Chance Zeit für die nötige Klimawende zu gewinnen. Was es dafür braucht? Eine andere, gemeinsame europäische Landwirtschaftspolitik. Bauern, die nurmehr so viele Tiere halten, wie sie aus den eigenen Erträgen ernähren können. Und einen Verzicht auf den Pflug und sowieso auf alle chemischen Hilfsmittel. Wissenschaftsjournalist Schwinn hat dafür im übrigen nicht nur ökologische Argumente: „Die Biobauern die nicht pflügen, sondern immer mulchen und den Boden bedeckt halten, die ernten den dicksten Wirsing.“
Rettet den Boden wiederum ist, wenn schon nicht das dickste (272 Seiten), so doch das gewichtigste Buch der Saison, Fragen der Landwirtschaft und mehr noch unserer Lebensgrundlagen betreffend. Eine ganz unbedingte Leseempfehlung.