Neues aus der Halle
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Wie ein Fisch im Wasser

Ein Plausch auf dem Markt mit Fischhändler John Jones von Frisch Gefischt

Mit Schiebermütze, blauer Gummischürze und einem Stift hinter dem Ohr – den Insignien des Fischhändlers – steht John Jones wie ein Fisch im Wasser an seiner Theke. In der rechten Hand hält er ein Filetiermesser, in der linken einen 8 kg schweren Schellfisch. Präzise setzt er einen Schnitt hinter der Bauchflosse und filetiert den Fisch meisterhaft. Nach getaner Arbeit genießt er das wohlverdiente Feierabendbier. „Mit sechzehn Jahren habe ich im Fischladen des besten Freundes meines Onkels angefangen, Fisch zu verkaufen – in der U-Bahn-Station Clapham South in London. Das Feierabendbier am Samstag mit den großen Jungs war das schönste Gefühl. Auch heute mit vierunddreißig ist das kaum anders“, erzählt John auf dem Weg zur Heidenpeters Bar am anderen Ende der Halle.

In der Markthalle Neun, jeden Morgen detailverliebt von John aufgebaut, gleicht die Fischtheke einem prächtigen niederländischen Renaissance-Gemälde. Bunte Makrelen, Forellen, Kaisergranaten und Austern sind kunstvoll arrangiert. Ein fetter Karpfen liegt neben einem runden Steinbutt, als wären sie Teil eines spätmittelalterlichen Stilllebens. Auf einer dicken Eisschicht präsentiert John die Vielfalt aus Süß- und Salzwasser. „Ich will immer zeigen, wie chaotisch und vielfältig das Meer ist“, sagt er.

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Foto: Carla Ulrich

Obwohl John selbst lieber Wein zum Fisch trinkt, kennt er die besten Geschmackskombinationen zwischen Hallengebrautem und Fischtheke: Fish and Chips? "IPA oder Pale Ale." Austern? "Stout. Das trinkt man in Irland so. Das Salzige der Austern und dann das kräftig-cremige vom Stout. Passt super.“

Im Alltag ist John eher ein ruhiger Geselle – britische Zurückhaltung vielleicht – doch wenn man ihn auf seinen Beruf anspricht, sprudelt es nur so aus ihm heraus: „Fischhändler, das ist nicht nur ein Job für mich, das ist eine Leidenschaft.“ Seine Liebe zum Fisch begann schon in der Kindheit. „Ich war immer fasziniert von Fisch. Als ich mit meiner Mutter einkaufen ging, war ich sofort beim Fischhändler. Die Farben, die Schuppen, die Vielfalt und wie die kräftigen Männer so zart mit dem Fisch umgingen – das hat mich enorm begeistert.“

Geboren und aufgewachsen in Südwest-London, begann John seine Karriere bei Moxon’s Fish Monger. „Das war von Anfang an, auch als ich noch Kühlhäuser und Theken putzen musste, einfach ein super Team und eine tolle Stimmung. Und ich konnte in meinem Freundeskreis angeben, dass ich mit den starken Fischerjungs gearbeitet hab.“ Besonders als er dann auch mal den Putzlappen an die Seite legen konnte, in den Kundenkontakt ging und Fisch verkaufen durfte, war es um ihn geschehen. „Wenn Kunden zurückkommen und sagen: ‚Das, was Du mir da empfohlen hast, das war fantastisch! Wie Du mir gesagt hast, wie ich das machen soll. Bitte noch einmal!‘ Dieses Gefühl, das hat sich nicht geändert, das ist immer noch genauso gut wie vor 18 Jahren.“

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John auf dem Fischmarkt in Leeds, 2013

Später zog John nach seinem absolvierten Germanistik-Studium nach Berlin, wo er im KaDeWe, bei Rogacki und im Frischeparadies arbeitete. Bevor er seinen Platz in der Markthalle Neun fand, führte er erfolgreich für einige Jahre seinen eigenen Fischhandel in Pankow. Seine Stammkunden folgten ihm von einer Fischtheke zur nächsten.

Ein großer Teil der Esskultur in Großbritannien ist auf Fisch basiert. „Wir sind eine Insel. Der Umgang mit dem Fisch ist ein anderer. Selten kauft man den Fisch in einem Supermarkt, da gibt es einfach für fast alle einen Fischmonger des Vertrauens. Fisch ist natürlich eher ein teures Produkt, aber wir machen es hier ähnlich, wie ich es von meinem Chef in UK gelernt habe: Fisch für jedes Portemonnaie. Nicht nur die edlen Fische, sondern auch Hering, Sardine und Makrele müssen immer dabei sein. Sie schmecken fantastisch und sind eben günstiger als eine Seezunge.“

Die Makrelen-Akzeptanz hat ein bisschen gedauert, sagt John, denn die meisten Deutschen kennen sie nur geräuchert. „Historisch war die frisch schwer zu transportieren, aber heute ist das anders. Sie schmeckt hervorragend frisch verarbeitet. Damit bin ich aufgewachsen, gegrillte Nordsee-Makrele. Die sind super frisch zurzeit und so einfach zu machen. Bisschen Öl dran, in den Ofen und keine zehn Minuten, dann ist’s fertig.“

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Foto: Carla Ulrich

Was ist das Besondere an der Arbeit mit Frisch Gefischt? „Nachhaltigkeit ist ein schwieriges Wort, aber alles ist verantwortungsvoll gefischt und aufmerksam eingekauft. Mit Schleppnetzen Gefangenes findet man hier nicht. Wenn es wegen Sturm ein begrenzteres Angebot gibt, dann ist das so. Alles kommt frisch an, alles im Ganzen.“ Tiefseefische oder Jakobsmuscheln, deren Fangmethoden Tiefseewälder zerstören, kommen nicht in die Theke. „Handgetauchte Jakobsmuscheln aus Norwegen kosten natürlich einiges, aber das erkläre ich an der Theke. Jakobsmuscheln sind für mich etwas Besonderes. Das ist nichts zum Sattwerden.“

Dennoch kann man sagen, dass sich viele Bestände gut erholt haben. „So wie ich es sehe und lese, hat sich durch die starken Kontrollen, Forschung und Dokumentation vieles getan. In den 80er Jahren, als alles industriell war, hat man gesehen, wie schnell alles kaputt gehen kann, da wurde alles abgefischt. In den frühen 2000er Jahren war der Kabeljau zusammengebrochen. Das hat sich mittlerweile erholt. Wenn es so weitergeht, können wir weiter Fisch essen. Aber eben verantwortungs- und respektvoll. Wir sollten auch Fische als Tiere sehen, die gelebt haben und geschwommen sind und nicht bloß als Gräten und Schuppen. Es braucht Respekt. Lieber weniger, aber dafür besser.“

John betont zum Schluss noch einmal, dass man keine Angst vor Fisch haben sollte. „Beim Fleisch wissen viele Bescheid, doch an der Fischtheke herrschen häufig Berührungsängste. Fisch ist eigentlich einfach zuzubereiten. Lieber etwas früher rausnehmen. Wenn’s noch nicht ganz durch ist, einfach kurz wieder rein.“ Um den Kunden die beste Qualität zu liefern und gleichzeitig die Unsicherheit zu nehmen, bietet Frisch Gefischt nur den ganzen Fisch an - Kunden können sich dann einen aussuchen und das Team filetiert ihn. „Da sind viele Deutsche schüchtern und trauen sich nicht zu fragen.“

„Mach's gut und danke für den Fisch“, könnte man sagen, doch es ist vielmehr ein Aufruf: Traut euch, probiert die Vielfalt der Fischtheke aus und entdeckt die einfachen, aber köstlichen Zubereitungsmöglichkeiten. Denn wie John Jones es zeigt, ist Fisch nicht nur ein Lebensmittel – es ist ein Erlebnis voller Farben, Formen und Aromen, das es wert ist, entdeckt zu werden.

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Foto: Carla Ulrich

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