Das schmeckbare Schaufenster von Jiro Nitsch
Mitten in der Markthalle Neun lässt sich schmecken, was Berlins und Brandenburgs (und auch darüber hinaus) Lebensmittelhandwerk und Landwirtschaft besonders macht. Nichts ahnend gehst Du vielleicht sogar am Stand “Beet & Baum” vorbei. Ein Marktstand, eine üppige Gemüse- und Obstabteilung, eine lange Kühltheke, links der Kasse Regale voll Trockenwaren. Was ist da schon besonderes daran, sieht doch erstmal aus wie ein kleiner Bioladen? Da schauen wir doch mal genau hin!
Butter aus der Gläsernen Molkerei, klar kennen wir. Säfte von Voelkel - auch keine Überraschung. Mehl aus der Spielberger Mühle ist den meisten Bio-Freund*innen auch ein Begriff. Aber was haben wir denn da? Miso aus dem Wedding? Kombucha aus Mahrzahn? Saisonales von Isak Gumpert? Oder vorpommersche Tortillas? Nicht nur die sind hier zu finden, mit ein bisschen Glück trifft man sogar die Erzeuger*innen der herausragendsten Produkte der Region selbst direkt am Kühlregal.
Zum Beispiel Marie, eine der Landwirt*innen des Erdhofs Seewalde an der Mecklenburgischen Seenplatte. Einmal die Woche bringen sie, David oder Viola die milchigen Produkte ihrer Angler-Rotvieh-Herde zu uns in die Halle. Durch ihre Haltung bewahren die drei die alte Rinderrasse vom Aussterben und tragen aktiv zur Förderung von Biodiversität bei. Mit der Art der Landwirtschaft, die sie betreiben, lassen sich klimapositive Milchprodukte herstellen. Mit ihrer Herde wandern sie tagtäglich kilometerweit zur nächsten Weide, verzichten dabei gänzlich auf dieselfressende Traktoren und andernorts angebautes Futter und erweisen ihren Tieren schließlich im hofeigenen Schlachthaus die letzte Ehre. Milch, Doppelrahm und Joghurt, die so herausragend gut sind, dass sie sonst nur in der Sternegastronomie zu erleben sind.
Auch Joscha von Teto Tofu kommt wöchentlich angeradelt und bringt die Sojaprodukte vorbei, die er und seine Partnerin Tomoko in Berlin von Hand produzieren. Unpasteurisierter Tofu aus ökologisch angebauten Sojabohnen aus Süddeutschland, erzeugt mit einer gehörigen Portion fundierter praktischer und theoretischer Erfahrung und Recherche in Japan. Tofu auf einem geschmacklichen Level, das sich vor erstmaligem Probieren nicht erahnen lässt.
Kennerinnen wissen: Hier gibt es das gute, wenn nicht gar das beste Zeug. Schuld daran: Jiro Nitsch, einer, der sie alle kennt. Mit jahrzehntelanger Erfahrung im Biohandel und familiärer Ur-Verbindung zu ökologischer Landwirtschaft hat sich Jiro zur Aufgabe gemacht kleinen Erzeugerinnen eine Plattform zu bieten, ihnen die Aufmerksamkeit und Anerkennung zu schenken, die ihre harte Arbeit verdient. Genau denen, die im Großhandel, in dem er lange Jahre selbst gearbeitet hat, durchs Raster fallen würden. Wegen zu geringer Erträge, weil sie zu unwirtschaftlich, zu nischig sind. Echte Raritäten eben, von höchster Qualität, hohen Idealen und geschmacklicher Vielfalt. Mit großem Bezug zu den Personen, die sie herstellen und kulinarischer Verortung in der Region.
Und wenn sie nicht in die Stadt kommen, dann kommt die Stadt zu ihnen.
Die Plattform 2020, die Mutter von “Beet & Baum”, setzt auf eine - der Name verrät es schon - Plattformökonomie, die es ermöglicht, das regionale Netz aus Erzeugerinnen direkt mit Verbraucherinnen in der Stadt zusammenzubringen. Das bedeutet auch ganz grundlegende Logistik. Wie kommen auf dem Land produzierte Lebensmittel in die Stadt? Vor allem kleinen Betrieben mangelt es häufig an passender Infrastruktur, Vermarktungs- und Kommunikationswegen. Da kommt die Plattform 2020 ins Spiel, die dabei besonderes Augenmerk auf eine faire Wertschöpfung legt und strukturschwache Betriebe fördert, indem sie keine Preisdumping-Politik betreiben. Was das konkret bedeutet? Die Endpreise im Regal entstehen in offener Absprache mit den Erzeugerinnen. Sie enthalten keine versteckten Preise, die an anderer Stelle von Ökosystemen, Menschen und Tieren getragen werden. Die Erzeugerinnen arbeiten im Einklang mit der umgebenden Landschaft, auf Augenhöhe mit Tieren und Mitmenschen und können im besten Falle ohne Subventionen von ihrer Landwirtschaft und Produktion leben. Der Preis setzt sich folglich aus den tatsächlichen Kosten zusammen, mit denen ein Hof oder eine Produktionsstätte in der Wertschöpfungskette vom Acker bis ins Kühlregal belastet wird. Im Regal liegen dann Produkte aus einer, wie Jiro sagt, “lupenreinen ökologischen Erzeugung”.
Eine weitere Besonderheit der Plattform 2020 ist die individuelle Anbauplanung in enger Zusammenarbeit mit den Landwirtinnen. Dabei werden nicht nur die Bedürfnisse der Verbraucherinnen berücksichtigt, sondern auch die der Gastronomie und der Gemeinschaftsverpflegung. Durch größere Abnahmemengen können Raritäten und individuelle Erzeugnisse für Berliner*innen verfügbar gemacht werden. So findet selbst Safran aus Brandenburg nicht bloß den Weg in die Sternegastronomie, sondern ins in der heimischen Küche gekochte Risotto.
Konträr zur konventionellen Bestellweise, bei der Gastronominnen noch nachts im Großhandel bestellen und morgens die gewünschte Tomate in der Küche liegt, arbeitet die Plattform 2020 nach dem Prinzip “Vom Acker auf den Teller”. Von langer Hand wird gemeinsam mit Landwirtinnen und Gastronominnen geplant, was aufs Feld und ergo in die Küchen und auf die Teller kommen soll. Möglichst direkt und mit minimaler Zwischenlagerung kommen die Erzeugnisse von den Höfen und Produktionsstätten zu den Konsumentinnen. Die digitale Vermarktungsplattform ermöglicht die direkteste Zusammenarbeit zwischen Erzeugerinnen und Köchinnen, langfristige Beziehungen und frische, hochqualitative Produkte.
Die “Plattform 2020 für gute Lebensmittel” setzt somit auf echte, langfristig gedachte Nachhaltigkeit, Regionalität und Fairness. Durch die Plattformökonomie werden Produzentinnen, Verbraucherinnen und (Gemeinschafts-)Gastronomie in Berlin eng vernetzt und eine umweltfreundliche und sozial gerechte Lebensmittelversorgung ermöglicht. Und wie das schmeckt!