EIN BRIEF AN ALLE NACHBARN, KUNDEN UND GÄSTE DER MARKTHALLE

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LIEBE NACHBARINNEN UND NACHBARN, LIEBE KUNDEN UND GÄSTE,

wir haben uns dafür entschieden, den ALDI Markt bei uns in der Halle durch einen dm Drogerie-Markt zu ersetzen. Dies ist eine konzeptionelle Entscheidung, die wir gefällt haben um die Entwicklung des kleinteiligen Lebensmittelangebotes in der Halle zu stärken.
Viele von Euch haben sich nach der Ankündigung des Auszugs von Aldi an uns gewandt: Mit sehr persönlichen Mails, Nachrichten und Besuchen. Mit einem Engagement für den Kiez, das uns an die Energie von vor 10 Jahren erinnert, als wir gemeinsam mit der Nachbarschaft für den Erhalt der Markthalle als Wochenmarkt und gegen die Umwandlung in einen weiteren x-beliebigen Supermarkt gekämpft haben. Wir respektieren dieses Engagement!

Die Kündigung von ALDI richtet sich nicht gegen die MitarbeiterInnen der Filiale oder die MitarbeiterInnen in der Berliner Zentrale dieses Konzerns. ALDI hat uns bestätigt, dass aufgrund der Kündigung des Mietvertrages kein/e MitarbeiterIn seinen/ihren Job verlieren wird. Und genauso wenig richtet sich die Kündigung gegen die Kunden von ALDI. Wir teilen die Ängste vor Verdrängung und einer grassierenden Gentrifizierung. Wir sind jedoch überzeugt, dass Discounter und ihre Geschäftspraktiken keine Antwort auf diese Probleme bieten. Die wahren Kosten für die scheinbar so günstigen Preise im Discounter Regal zahlen andere, auf den Plantagen und Feldern, in Schlachthöfen und Fabriken – sie verschwinden nicht. Sie werden ausgelagert und exportiert – und müssen am Ende doch von uns allen getragen werden.

Durch den Auszug von ALDI aus der Halle muss niemand eine Unterversorgung durch Discountern hier in der direkten Nachbarschaft fürchten. Es gibt allein im Umkreis von zwei Kilometern der Halle vier weitere ALDI Filialen, mehrere Pennys, und einen Lidl Markt in 250m Entfernung.

Viele solidarisieren sich mit Kleingewerbetreibenden hier in der Nachbarschaft und versuchen die Schließung kleiner Läden und Betriebe aufzuhalten. Auch wir in der Halle setzen aktiv etwas gegen diese Entwicklung! Unsere Händler und Produzenten sind Menschen, die hier vor Ort kleine Unternehmen gegründet, sich als Bäckerinnen, Brauer, Metzger, als HändlerInnen und Gastronomen ihre Existenz aufgebaut haben. Die Markthalle, das sind und waren nie nur die drei Betreiber. Die Markthalle, das ist eine Gemeinschaft mit vielen Gesichtern, die hier jeden Tag arbeiten und leben. Insgesamt bieten sie und ihre kleinen Betriebe Beschäftigung für über 450 Leute!! Wir glauben daran, dass es genau die kleinen inhabergeführten Läden sind – nicht nur in der Markthalle selbst, sondern auch in den Straßen drumherum – die die Kiezstruktur stärken. Die Kreuzberg vielfältig und vielstimmig machen. Es muss gar kein Einkauf in der Halle sein – auch ein Einkauf beim Bäcker vor Deiner Tür hilft uns allen! Anders als beim Discounter bleibt das Geld, das man dort ausgibt hier im Kiez bei den Gewerbetreibenden – es ist ein Akt der lokalen Wertschöpfung.

Die Markthalle ist ein Experiment – unser Ziel ist es, machbare Alternativen zu einer industriellen Landwirtschaft und einem von wenigen Handelsriesen dominierten Lebensmittelmarkt aufzuzeigen. Wir wollen starke regionale Netzwerke aufbauen, die uns hier in der Stadt versorgen und die unseren Kiez durch ihre Vielfalt bunter machen, als es ein überall gleiches Discounterangebot schaffen kann! Die Wiederbelebung des Marktes ist ein kontinuierlicher, offener Prozess – mit Rückschlägen, aber auch ganz alltäglichen Erfolgsgeschichten. Wir stellen uns hier die Frage: Wie kann eine lebendige Markthalle im 21. Jahrhundert funktionieren?

Die Entscheidung für dm ist vor allem eine Entscheidung für die vielen kleinen Händler in der Halle und im Kiez! Durch dm schaffen wir ein ergänzendes Angebot für den Wochenmarkt. Eine Anregung und Einladung festzustellen, dass man saisonales Gemüse zu vergleichbaren Preisen auch auf dem Markt kaufen kann. Grundlage für unsere Entscheidung waren die Wünsche aus der Nachbarschaft, ein gutes Basis-Drogerieangebot mit Hygieneartikeln, Putzmitteln, Babynahrung etc. in der Halle zu schaffen. Ganz einfach weil es hier im Kiez fehlt. Wir haben mit dm besprochen, dass es zusätzlich eine große Auswahl an trockenen Lebensmitteln wie Mehl, Nudeln, Kaffee, Müsli & co gibt.

Wir sind zuversichtlich, dass der Markt in naher Zukunft von Montag bis Samstag ganztags eine Grundversorgung mit einem vielfältigen und – auch preislich gefächerten – Angebot an Obst- und Gemüse, Milchprodukten, Eiern, Brot und Fleisch bereithält.

In den letzten acht Jahren ist die Halle wieder zu einem vielfältigen und bunten Ort geworden, der über 450 Menschen einen Arbeitsplatz bietet. Diesen Weg gehen wir weiter und sind auch weiter offen für einen sachlichen und fairen Dialog mit der Nachbarschaft – dazu sind wir mit verschiedenen Nachbarschaftsvereinen und -initiativen im Austausch.
Denn wir glauben, dass es am besten ist miteinander statt übereinander zu reden.

EUER MARKTHALLE NEUN TEAM