Von Gestern? Für Morgen!

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Alles hat ein Ende und auch diese Wurst hatte eines. Gut zehn Jahre lang hatte da ein Metzgermeister aus dem Oberhessischen nach einer Nachfolge gesucht, die das mit der Landmetzgerei und der luftgetrockneten Roten Wurst, in die immer auch die guten Teile vom Tier kommen, in seinem Sinne weiterführt. Jetzt hat Friedrich Tittl, 77-jährig, sein Handwerk an den Nagel gehängt. Ja, es gibt es in Neustadt/@50.8705003,9.0180873,12z/data=!3m1!4b1!4m5!3m4!1s0x47bc9a2639908caf:0x1e444d06a6afb4a2!8m2!3d50.8525599!4d9.11532) , Landkreis Marburg-Biedenkopf, weiterhin so etwas wie einen Metzger. Nur ist das jetzt eben die Fleischtheke im Supermarkt.
Metzgermeister Tittl liegt dabei im Trend. Deutschlandweit ist die Zahl der Handwerksmetzgereien in den vergangenen zehn Jahren um rund 30 Prozent gesunken . Bei den Bäckereien liegt der Schwund ähnlich hoch. Und mit jeder Geschäftsaufgabe verliert der ländliche Raum – genauso aber eine Metropole wie Berlin – nicht nur Kultur und Lebensqualität. Vor allem leidet die Ausbildungsqualität des Nachwuchses: In den zunehmend dominanten, rationalisierten Großbetrieben lernen die ein Handwerk als eine zunehmend industrialisierte Tätigkeit kennen. „Wer heute den Geist und die Leidenschaft hat, eine handwerkliche Bäckerei verantwortungsvoll und zukunftsorientiert zu betreiben, kennenlernen will", sagt Florian Domberger, Handwerksbäcker in Moabit, „der kommt entweder als Quereinsteiger oder hat sich in Eigeninitiative das Wissen um altes Backhandwerk und seine zeitgemäße Umsetzung drauf geschafft." Auch Florian Domberger gehört zu diesen Quereinsteigern, eigentlich hatte er als Logistikexperte die Welt bereist.
In Berlin hat in den vergangenen zehn Jahren jede vierte Bäckerei aufgegeben. Und sogar ein gutes Drittel aller Fleischereien. Zahlen mit einem statistischen Fehler allerdings: Gezählt werden nur die Innungsbetriebe. Gerade im Bäckerhandwerk hat sich, mit Betrieben wie unserem Markthallenbäcker Alfredo Sironi , mit Endorphina Backkunst, mit Albatross , Brot ist Gold , Le Brot oder eben dem Domberger Backwerk , eine, nun ja, kulinarische Off-Kultur etabliert und durchaus erfolgreiche Fallstudien dafür abgeliefert, wie das mit dem aufrichtigen Handwerk und dem guten Geschmack künftig weitergehen könnte. Weil Wissen aber auch immer weitergegeben werden muss, zum Beispiel an Auszubildende, haben sich besagte Bäckereien jetzt zusammengesetzt, um gemeinsam Strukturen zu entwickeln. Gerne auch
gemeinsam mit der Innung, aber eben nicht gemeinsam mit einem rationalisierten, industrialisierten Handwerksbegriff.
In diesem Sinne: Entscheidet Euch künftig einfach für die Lebensmittel, bei denen die Zahl der Handgriffe größer als jene der Inhaltsstoffe ist. Und wenn Ihr unterwegs eine ehrliche Landmetzgerei oder einen Handwerksbäcker findet, bringt Hunger mit.