"Es wäre doch großartig, wenn die konventionelle Landwirtschaft sich labeln müsste"

Markus Heiermann

Vor der Europawahl am 26. Mai haben wir mit verschiedenen Menschen – Bauern, Aktivistinnen und Lebensmittelhandwerkern – darüber gesprochen, welche Bedeutung die Europäische Union für ihre Arbeit hat und warum zur Wahl gehen, direkten Einfluss auf die kleine genauso wie auf die ganz großen Fragen des Alltags hat.
Heute sprechen wir mit Markus Heiermann. Er ist Gärtner auf dem Bioland Betrieb der Domäne Dahlem in Berlin. Das Landgut und Museum Domäne Dahlem ist ein Bildungs- Ausbildungs- Ausflugs- und ökologisch-landwirtschaftlicher Betrieb. Hier werden auf 2ha der insgesamt 12ha landwirtschaftlich genutzten Fläche ca. 60 verschiedene Gemüse-, 20 Kräuter- und 20 Zierpflanzenkulturen angebaut.

Markus, was bedeutet Europa für dich?
Der Verbund von vielen interessanten, verschiedensten Staaten. Einer der größten Gewinne der EU ist unser friedliches Miteinander, unsere Unterschiedlichkeit unsere größte Stärke.

Wie hängt regionale Landwirtschaft mit Brüssel zusammen? Welchen Einfluss hat das EU Parlament auf deinen Alltag als Gemüsebauer?
Was uns verbindet, ist die gemeinsame Agrarpolitik. Die GAP ist das Instrument, das die europäische Agrarpolitik steuert. Diese steuert glücklicherweise immer mehr in Richtung Ökologisierung und Regionalisierung, aber ist auch ein bürokratisches Monster für kleine Betriebe – viele sind auf Förderungen angewiesen, diese sind aber extrem aufwendig. Der Aufwand steht oft in keinem Verhältnis mehr für Landwirt*innen. Insbesondere da nach Fläche gefördert wird, das heißt Großbetriebe profitieren verhältnismäßig viel stärker von Förderungen und Subventionen der EU als kleinbäuerliche Betriebe. Viele Kleinflächen sind nicht einmal förderfähig – das ist der Wahnsinn! Wenn man wirklich Unterstützung für regionale, nachhaltige Landwirtschaft bereitstellen möchte, müsste man das viel massiver fördern.
Tatsächlich könnte man die Art von Landwirtschaft, die wir hier auf 2ha betreiben in der freien Wirtschaft, bzw. auf dem Land nicht betreiben, es wäre schlicht nicht wirtschaftlich. Die EU fördert erst Flächen ab 3ha, da würden wir also rausfallen. Da wir Teil eines größeren Betriebes sind und andere Geschäftszweige haben, sind wir glücklicherweise nicht auf Subventionen für den Gartenbau angewiesen.

Was erhoffst du dir vom Europaparlament für die Agrarpolitik der nächsten 5 Jahre?
Ich wünsche mir dringend das Verbot von Glyphosat, ich wünsche mir eine Struktur der Bodenverkaufsregulierung, damit Schluss ist mit skurrilen Geschäften (die Vergabe von Boden sollte immer an landwirtschaftliche Betriebe gebunden sein) und letztlich wünsche ich mir eine Ökologisierung als langfristige Perspektive. Es wäre doch großartig, wenn die konventionelle Landwirtschaft sich labeln müsste und nicht die ökologische. Bio-Landwirtschaft als Standard! Davon sind wir eigentlich gar nicht mehr weit entfernt. Bereits jetzt gibt es sogenannte “greening Programme” für konventionelle LandwirtInnen, d.h. sie müssen z.B. bei einer Bewirtschaftung von mehr als 50 ha mindestens zwei Kulturen anbauen. Wenn man diese um weitere Grundsätze der Biolandwirtschaft erweitern würde, zusätzlich noch eine stärkere Regulierung für Pestizide und mineralischen Dünger festlegen würde, sodass die Umwelt weniger stark beeinträchtigt ist, wären viele Konventionelle umgestellt ohne es zu merken. Ich glaube, es sollten nicht die Bio Betriebe kontrolliert werden (das sorgt übrigens auch für höhere Preise), sondern konventionelle Betriebe! Somit stünden bessere Lebensmittel für weniger Geld für mehr Menschen zur Verfügung!

(Foto: ©Hannes Bongard)