2020

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Das Frühstück im Kaffee9, die Mittagspause vor der Kantine und der Feierabend an der Heidenpeters Bar. Es sind die vielen kulinarischen und damit sozialen Momente, die wir in diesem Jahr am meisten vermissen, denn Distancing passt ja eigentlich gar nicht zur Markthalle.
Wir vermissen Euch – wie Ihr mittags rund um unsere Biertische sitzt, am Donnerstagabend die Gänge füllt, die Gläser hebt, Freunde trefft, Essen genießt und diskutiert.

Wir vermissen Gespräche über Sauerteig- und Starterkulturen, Aromahopfen, regenerative Landwirtschaft und Kaffee aus Costa Rica: den Austausch mit unseren internationalen Gästen auf der Cheese Berlin, dem Naschmarkt, Coffee Festival oder der Wurst & Bier. Die Momente, wenn sich in der Halle Käserinnen, Bäcker, Brauer, Winzerinnen, Rösterinnen oder Metzger treffen und ihr Wissen und Handwerk teilen oder auch nur bei einem Schnack über die Dinge reden, die eben nur jemand versteht, der den Beruf mit ähnlicher Leidenschaft ausübt.

Ja, wir vermissen viele und vieles in diesem Jahr, aber wir sind auch dankbar: 
Was in dem Durcheinander hoch 20 geblieben ist, sind die vielen verschiedenen Menschen, die unsere schöne Markthalle ausmachen, vor und hinter den Ständen. Danke an alle, die unter der Maske weiter gelächelt, weitergekocht, gebacken und eingemacht haben – und jeden Tag weiterhin in der Halle standen.

Danke an unsere tapferen Hausmeister, die weiter geschuftet haben und neben verschiedenen Baustellen unsere gefühlt wöchentlich angepassten Wegeleitsysteme, Hygiene- und Pandemiepläne, Informationswände umgesetzt, auf-ab- und wieder umgebaut haben.

Wir sind auch dankbar für all das, was 2020 dazugekommen ist: Einige großartige Menschen und neue Händler*innen, so zum Beispiel Margaux und ihr FishKlub, Michael und seine Brotbühne, das Domberger Brotwerk, Ferhan und Yalin und ihr köstliches türkisches Loukoum, Benito und Philipp von Mondhügel, die den SoulSpice Stand übernommen haben; Mundvoll, Imkerei Bien, Rootsradicals, Twisted Nut, Werners Kräutergarten und Fairment, die jeden Samstag den Wochenmarkt bereichern und nicht zuletzt das wunderbare Team des Marktlokal, das trotz aller Widrigkeiten diesen Herbst das Markthallen Restaurant übernommen hat.

Aufgeblüht sind sowohl der Multi-Kulti Stand von Mo, als auch Von Beet und Baum, die inmitten der Krise ihre Stände aus- und umgebaut und weitergedacht und uns in alle diesen Monaten jeden Tag mit frischem Obst & Gemüse versorgt haben. 

Mit der Kantine Zukunft ist im Sommer ein großartiges Projekt in die Markthalle gezogen, das sich für einen Wandel der Gemeinschaftsverpflegung einsetzt und die Ernährungswende in Berlin weiterbringt. Wir können es kaum erwarten, ab Beginn des kommenden Jahres auch die Schulungs- und Seminarräume im ehemaligen Multi-Kulti-Laden an der Eisenbahnstrasse in Funktion erleben zu dürfen. Mitgestaltet wird die Kantine Zukunft übrigens von den Food Kompanions, einer Agentur, die Forschung, Design und Beratung für nachhaltige Lebensmittelwertschöpfung anbietet – auch sie sind diesen Herbst in Büroräume der Halle gezogen. Willkommen!

Mit der Peace Kitchen haben wir gemeinsam mit Conflict Food & Über den Tellerrand ein spannendes neues Projekt gestartet und es direkt wieder vertagen müssen – aber freuen uns auf alles, was nächstes Jahr folgt. 

Wir haben dieses Jahr mehr gekocht und gebacken und das auch in der Halle: wie im letzten Newsletter berichtet, haben wir im Sommer ein neues Kapitel der Kochschule Neun gestartet und mit Jung & Alt, Grundschülern, Seniorinnen und Familien aus Kreuzberg an den Töpfen gestanden – zuletzt digital.
Wir freuen uns sehr darauf, dieses Projekt dank der Unterstützung durch die Hello Stiftung 2021 weiterführen zu können.

Trotzdem gingen die Auswirkungen der Pandemie auch an der Halle nicht folgenlos vorüber. So mussten Franziska und Elena, besser bekannt als die  legendären TofuTussis, ihr Geschäft in der Halle zum Ende des Jahres leider aufgeben, weil die wirtschaftliche Perspektive fehlt, ein Jahr wie dieses irgendwie ausgleichen zu können.  
Und auch Barbara, die mit ihrer schwäbischen Hausmannskost seit Beginn fester Bestandteil der Händlerschaft der Markthalle Neun war, hat Ihren Stand in der Halle leider aufgegeben. Uns blieb an dieser Stelle nur die Flucht in den Alkohol und wir sind froh, dass die Brauerei Heidenpeters und die Weinhandlung Suff Ihre Stände jeweils ausgebaut haben und uns so über die entstandene Lücke hinwegtrösten. 
In diesem Sinne: Wir stoßen an – auf Franzi, Elena & Barbara.
Wir danken Euch und werden Euch vermissen!

Anders als bisher war es auch bei einem anderen Thema:
Angefangen mit dem Dialogverfahren des Bezirkes, das im Januar in der Halle und an verschiedenen Orten in der Nachbarschaft über 500 Anwohner*innen ausführlich zu Wort kommen ließ. So ist ein umfangreicher Schatz an Interviews an Meinungen und Wünschen rund um die Themen Gemeinschaft, Nachbarschaft und Ernährung hier im Kiez entstanden. Wichtige Zutaten für Rezepte der Zukunft. Vor allem aber ist es gelungen, die aufgeheizte und konfrontative Diskussion in konstruktive Formen und Bahnen zu überführen. Und im Ergebnis hat der Bezirk beschlossen, selber eine aktivere Rolle in der Ernährungswende einzunehmen. Und wenn die Diskussion bei uns in der Halle dazu beitragen konnte, dann war sie sicher jeden Gedanken und jeden guten Streit wert. 
Und dann, ja dann hat Aldi seine Geschäftsstrategie angepasst. Kleine Standorte werden überall in der Republik geschlossen und so wurde uns und dem Bezirksamt mitgeteilt, dass auch die Filiale in der Halle zu klein sei, nicht mehr ins Konzept passt und daher aufgegeben werden soll. Das hat uns nochmal vor Augen geführt, wie unterschiedlicher die Perspektiven auf unsere Halle nicht sein könnten. Für uns, die Nachbarschaft oder den Bezirk einerseits. Und für einen der größten, international agierenden Handelskonzerne weltweit andererseits. Wir sitzen also hier, staunen und lernen immer wieder neu!

Uns ist in diesem Jahr nochmal klarer geworden, wie notwendig eine diverse, nachhaltige, und in ganzen Wertschöpfungsketten denkende Lebensmittelwirtschaft für eine gemeinsame Zukunft ist.
Und was es bedeutet, einen Ort wie die Markthalle zu schaffen: Es braucht ein ganzes Dorf! Und diesem Dorf, dieser Gemeinschaft und jeder Einzelnen und jedem Einzelnen gilt unser Dank. Für die Kraft und die Solidarität, die wir gerade dieses Jahr eindrucksvoll erfahren durften.

Wir hoffen, dass auch Euch die Beschäftigung mit guten Lebensmitteln, die tröstende und auf wohltuende Weise bestärkende Erfahrung beim Backen und Kochen zu Hause im Lockdown Mut und Kraft gibt, den widrigen Umständen zu trotzen. 

Wir wünschen Euch einen guten Start in ein hoffentlich besseres Jahr und freuen uns auf ein zehntes Jahr Markthalle Neun mit Euch. 
Bleibt gesund!